Nervalreflektorische Vorgänge bei Schmerzen:
Die Ganzkörperkältetherapie gehört zur großen Palette der physikalischen Therapien. Ihre Effekte bleiben nicht lokal begrenzt auf einzelne Körperpartien, sondern sie erfasst mehr oder weniger den ganzen Organismus. Dies geschieht über die Auslösung verschiedener Wirkungsmechanismen, die über das Reizaufnahmeorgan Haut, nur sie wird der Kälte ausgesetzt, in Gang gesetzt werden. Man spricht hier von einem Reiz-Reaktions-Adaptionsprinzip.
Die schockartige, kurze Kälteeinwirkung von Lufttemperaturen unter minus 130 Grad auf die nahezu gesammte Körperoberfläche bewirken, daß die Haut schlagartig auf Temperaturen unter 5 Grad heruntergekühlt wird. Auf Grund des starken physikalischen Reizes wird eine unmittelbare Reaktion des Körpers hervorgerufen.
Die kapillaren Gefäße unter der Haut verengen sich sehr stark (Vasokinstriktion), wodurch der Blutzufluss in die Haut und damit auch der Wärmetransport stark reduziert wird. Gleichzeitig strömt das Blut aus der Peripherie in die inneren Organe, um die Körperkerntemperatur aufrecht zu erhalten.
In der Haut befinden sich eine Fülle von Thermorezeptoren, die auf Kälte oder Wärme reagieren. Die Kaltsensoren sind Endigungen der A- Delta Nervenfasern. Die Nozizeptoren sind Schmerzrezeptoren, die in der Haut, den Gelenken, Muskeln und inneren Organen vorkommen.Sie enden als freie Nervenfasern in den sogenannten C- Nervenfasern oder in den A-Delta Nervenfasern. Die C- Nervenfasern leiten Schmerzensignale, wie sie z.B. bei Entzündungen, Arthrosen oder auch bei Neurodermitis der Juckreiz, über das Rückenmark in den Thalamus und zur Großhirnrinde.Das führt zur Sinneswahrnehmung Schmerz.
Durch die Aktivierung der A-Delta Fasern über die Kälteeinwirkung werden diese vom Gehirn als Schmerz wahrgenommen. C Fasern und A-Delta Fasern teilen sich dieselben Nervenbahnen im Rückenmark, die den Schmerzreiz ins Gehirn leiten. A-Delta Fasern werden wesentlich schneller weitergeleitet, da sie unmittelbar reagieren, wie z.B. beim Griff auf eine heiße Herdplatte. Die enorme Menge an aktivierten A-Delta Fasern blockiert für Stunden den C Faser Schmerz.
Durch serielle Behandlungen wird der C- Faser Schmerz immer wieder gehemmt und das Neuropeptit P, welches einen entscheidenden Faktor bei chronischen Schmerzen einnimmt, nämlich die unverhältnismäßige Verstärkung von Schmerzen, kann durch die dauernde Unterbrechung wieder auf ein normales Niveau gesenkt werden.
Die Sensibilisierung des Schmerzgedächtnisses wird also durch Gegenirritationen eingedämmt oder im besten Fall aufgehoben. Durch die Herabsetzung der Schmerzschwelle können z.B. betroffene Gelenke wieder besser bewegt und die gelenknahe Muskulatur wieder aktiviert werden. Degenerative Prozesse (Muskelschwund) können vermieden werden und der Gelenkknorpel kann wieder durch Bewegung besser mit Nährstoffen versorgt werden
Einwirkung der Kältetherapie auf entzündliche Prozesse:
Von den Entzündungen müssen wir die chronische und die akute Entzündung unterscheiden. Die akute Entzündung ist zwar unangenehm, aber dient als protektiver Mechanismus zur Heilung von Zell- oder Gewebeschädigungen. Eine Entzündung ist meistens schmerzhaft und geht mit Ödemen einher. Die chronische Entzündung kann sich aus einer akuten Entzündung entwickeln oder der Verlauf kann auch primär chronisch sein. D.h. es gibt in diesem Fall keine akute Entzündungsphase, wie z.B. der chronischen Polyarthritis oder Morbus Bechterew. Eine Entzündung bezieht immer Regulations- und Schutzsysteme in den Prozess mit ein. Auslöser dieser Reaktionen ist das Zentrale Nervensystem, besonders durch Strukturen im Hypothalamus ,im Stammhirn und im Limbischen System. Dabei werden Immunreaktionen ausgelöst, die in der Regel die Heilung der betroffenen Gebiete bewirken.
Bei Autoimmunerkrankungen funktioniert dieser Heilungsprozess nicht, da sich Autoantikörper bilden, die sich zerstörend gegen körpereigene Gewebestrukturen richten. Man spricht hier auch von einem gestörten Immungleichgewicht oder Immuntoleranz. Generell kann man davon ausgehen, daß es bei der Kältetherapie zu einer zentral gesteuerten Modifizierung von systemischen Schutzfunktionen kommt, die sich auf die Interaktion zwischen Thermorezeption,Nozizeption (Schmerzempfinden), sowie Vorgängen im Zentralen Nervensystem bezieht.
Die klinischen Ergebnisse der Entzündungshemmung sind auf diese Modifizierung zurückzuführen. Nämlich die Rückbildung der Ödeme, die Schmerzlinderung, die Minderung der Autoagression und Funktionsverbesserung entzündlicher Gelenke.
Resultierend aus diesen Vorgängen sind lokale und systemische Vorgänge wie die Blutgefäßtonisierung und in deren Folge die Minderung der Aktivität von Entzündungsmediatoren und Neurotransmittern. Desensibilisierung im nozizeptiven System mit einer Reduzierung der neurogenen Freisetzung von Entzündungsmediatoren.
Immunmodulation über das zentrale Aktivitätsniveaus mit der Beeinflussung von zellulären und nichtzellulären Imunkomponenten. Die Konzentration von entzündungsfördernden Zytokinen wird abgesenkt und die der entzündungshemmenden wird angehoben, wie zahlreiche Untersuchungen eindeutig belegen.